Phänologie beschreibt die „Lehre von den Erscheinungen“, also die Beobachtung des Erscheinens bestimmter Entwicklungsstadien von Tieren, Pflanzen oder auch Pilzen. Die Phänologie des Buchdruckers (Ips typographus), eines bekannten Vertreters der Familie der Borkenkäfer, wird stark von den klimatischen Bedingungen seines Lebensraumes beeinflusst. Temperatur, Niederschlag, Strahlungsintensität der Sonne und Tageslichtlänge spielen eine wesentliche Rolle bei der Steuerung seiner Entwicklungsphasen. Zum Beispiel wird davon der Schwärmflug des Käfers im Frühjahr gesteuert. Aber nicht nur der Buchdrucker ist von diesen Umweltfaktoren abhängig, auch Pflanzen durchlaufen ihre jährlichen Entwicklungsstadien in Abhängigkeit von diesen Bedingungen.
Ein neues Monitoringwerkzeug für den Buchdrucker
Gibt es also einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den phänologischen Phasen (Entwicklungsstadien) bestimmter Pflanzen und dem Schwärmflug des Buchdruckers?
In Zusammenarbeit mit dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) und dem Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) haben sich das Büro für Wildökologie und Forstwirtschaft und das Büro LACON zum Ziel gesetzt, dieser Frage nachzugehen. Ein einfaches, überall anwendbares Monitoring-Tool soll daraus entstehen, das sowohl von Forstfachleuten als auch von Laien eingesetzt werden kann. Das Tool basiert auf der Beobachtung der phänologischen Phasen so genannter Zeigerpflanzen. Erste Untersuchungen in Kärnten haben bereits gezeigt, dass der Zeitpunkt der Blüte bzw. der Blattentfaltung bestimmter Pflanzenarten, wie Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) und Fichte (Picea abies), zeitlich gut mit dem Schwärmbeginn des Buchdruckers korreliert. Solche Beobachtungen können als Ergänzung zu bestehenden Monitoringsystemen wertvoll sein.
Phänologische Datenanalyse als Grundlage für das neue Tool
Im ersten Teil des Projektes wurden bestehende phänologische Datensätze ausgewertet, um geeignete Zeigerpflanzen zu identifizieren. Diese Datensätze stammen aus dem Paneuropäischen Phänologienetzwerk (PEP725), basierend auf Daten von GeoSphere Austria (ehemals ZAMG) und dem Buchdrucker-Phänologiemodell PHENIPS. Neun Pflanzenstadien wurden ausgewählt, die für ein Schwärmflugmonitoring vielversprechend erscheinen. Die Zeigerpflanzen sollten in Österreich weit verbreitet und leicht zu erkennen sein.
Citizen Science: Einbindung der Waldexpert:innen
Was nützt eine spannende Analyse am grünen Tisch, wenn es keine Überprüfung in der Praxis gibt? Diese wichtige Arbeit in der Entwicklung des Monitoringtools haben über 50 Teilnehmer:innen aus ganz Österreich absolviert. Interessierte Waldbesitzer:innen bzw. Waldbetreuer:innen wurden für eine zweijährige Beobachtungsreihe ausgewählt und geschult. Sie beobachteten den Zeitpunkt des Blühbeginns bzw. der Blattentfaltung der Zeigerpflanzen in ihrem jeweiligen Waldgebiet und führten gleichzeitig ein Buchdrucker-Monitoring mit Pheromonfallen durch.
Für diese Citizen Science Beobachtungsreihe wurde der Projektname „PHÄNOBORKIS“ eingeführt. Die Teilnehmenden erhielten eine umfassende Schulung und ein Handout, in dem detailliert erklärt wird, wie die phänologischen Phasen der Zeigerpflanzen und die Schwärmphasen des Buchdruckers erkannt und dokumentiert werden können. Das Handout steht allen Interessierten auf der Homepage des Büros für Wildökologie (www.wildoekologie.at) unter „Aktuelles“ zur Verfügung.
Fichte und Rosskastanie machen das Rennen
Die erhobenen Daten bestätigen den Zusammenhang zwischen den phänologischen Phasen der Zeigerpflanzen und den Schwärmphasen des Buchdruckers. Besonders auffällig war die starke Korrelation zwischen dem Maitrieb der Fichte im Jungwuchs und dem Hauptbefall der Altbäume durch die erste F1-Generation des Buchdruckers. Diese Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die Vorhersage der Schwärmphasen des Buchdruckers und könnten in Zukunft zu einer Optimierung des Borkenkäfermanagements beitragen.
Wir konnten beobachten, dass der Buchdrucker seinen Hauptbefall häufig vor dem Maitrieb der Altbäume beginnt. Dieser frühe Befall könnte es dem Käfer ermöglichen, dem ersten Saftfluss in der Baumrinde, der im Frühjahr während des Austriebs einsetzt, auszuweichen. Dieser Hypothese könnte in zukünftigen Untersuchungen nachgegangen werden, um den Zusammenhang zwischen dem Befallszeitpunkt und dem Austrieb der Altbäume noch besser zu verstehen.
Neben der Fichte konnte die Rosskastanie als wertvolle Zeigerpflanze für das Buchdruckermonitoring identifiziert werden. So korreliert das Mausohrstadium dieser Baumart (siehe Abbildung unten) gut mit dem Erstflug des Buchdruckers, während die Blattentfaltung der Rosskastanie zeitlich mit dem Schwärmflug des Buchdruckers übereinstimmt. Der mittlere zeitliche Abstand zwischen den phänologischen Phasen der Pflanzen und den Schwärmphasen des Buchdruckers beträgt in diesen Fällen etwa zwei bis vier Tage. Je größer dabei der Höhenunterschied der Falle zur Zeigerpflanze ist, desto verzögerter tritt der Schwärmflug nach der Pflanzenphase ein.
Klimatische Einflüsse und zukünftige Herausforderungen
Der Klimawandel hat einen erheblichen Einfluss auf die Phänologie sowohl des Buchdruckers als auch der Zeigerpflanzen. Durch mildere Winter und frühere Temperaturanstiege im Frühjahr verschieben sich die Entwicklungsphasen dieser Organismen. Schon der Begriff „Maitrieb“ der Fichte entspricht oft nicht mehr dem tatsächlichen Nadelaustrieb, dieser findet bereits im März oder April statt. Dies spiegelt sich auch in den Ergebnissen des Projektes wider: In den Beobachtungsjahren 2023 und 2024 zeigten sich deutliche Unterschiede in den Zeitpunkten des Schwärmflugs und der Pflanzenphasen, die auf den unterschiedlichen klimatischen Verlauf der Frühjahre zurückzuführen sind.
Einfache Anwendung
Das phänologische Monitoring des Buchdruckers mit Hilfe von Zeigerpflanzen stellt eine vielversprechende Methode dar, um den Schwärmflug des Buchdruckers besser vorhersagen zu können und damit gezielte Maßnahmen gegen den Borkenkäferbefall zu ermöglichen. Vor allem die Fichte selbst sowie die Rosskastanie eignen sich als Zeigerpflanzen für das Monitoring des Buchdruckers. Der Maitrieb der Fichte im Jungwuchs ist ein zuverlässiger Indikator für den Hauptbefall durch den Buchdrucker. Die Methode ist für alle mit Hilfe der genauen Beschreibungen der phänologischen Phasen der Zeigerpflanzen im Handout leicht durchzuführen und kann zukünftig eine wertvolle Hilfe im Buchdruckermanagement sein.
Die Forschungsarbeiten werden im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung des BML (Waldfonds, Maßnahme 8: Forschungsprojekt Nr. 101687 „Buchdrucker – Ökologie und integriertes Borkenkäfermanagement“) durchgeführt.
Vergleich der Buchdrucker (türkise Punkte) und der Zeigerpflanzen-Beobachtungen (hellgrüne Punkte). Links der Erstflug, der Schwärmbeginn sowie der Hauptbefall des Buchdruckers, rechts die beobachteten Zeitpunkte von Fichte und Rosskastanie. Dicke Balken zeigen den Median, die Boxen enthalten 50 % der Daten. Die Jahrestagzahl ist die fortlaufende Anzahl der Tage in einem Jahr, beginnend mit 1 – dem 1. Januar und endend mit 365 (oder 366 in Schaltjahren) – dem 31. Dezember.