Die beiden Gesetze haben völlig unterschiedliche Zielsetzungen, deswegen entstehen hier zum Teil seltsam anmutende Situationen und auch Widersprüche. Gilt die StVO also wirklich, bzw. kann man ihre Geltung ausschließen?
Anwendbarkeit der StVO auf Forststraßen
Die StVO selbst bestimmt, dass sie für Straßen mit öffentlichem Verkehr gilt. Eine Straße ist „eine für den Fußgänger- oder Fahrzeugverkehr bestimmte Landfläche“. Fußgängerverkehr genügt also! Eine Straße mit öffentlichem Verkehr ist eine, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann.
Nun hat das ForstG 1975 ja die Waldöffnung gebracht. Demnach darf jedermann Wald – und damit auch Forststraßen – zu Erholungszwecken betreten. Dass Forststraßen nicht von jedermann befahren werden dürfen, ist irrelevant, denn auch eine rechtens nur von Fußgängern benützte Landfläche dient dem Verkehr und ist deshalb eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Es ist unerheblich, wie die Straße gewidmet ist und wer Eigentümer ist, es kann sich um öffentliches Gut genauso wie um Privatstraßen handeln.
Die StVO ist daher tatsächlich auf Forststraßen anzuwenden und zwar in vollem Umfang.
Ist die StVO auf Forststraßen überhaupt relevant?
Es scheint doch etwas praxisfern, dass Polizisten auf dem etwa 120.000 (!) km langen Forststraßennetz Strafmandate ausstellen – obwohl dies theoretisch natürlich denkbar ist.
Die Vorschriften der StVO sind jedoch vielfach auch sogenannte Schutzvorschriften. Wird also etwa jemand bei einem Unfall auf einer Forststraße gerade dadurch verletzt oder getötet, dass ein anderer eine Vorschrift der StVO verletzt hat, dann kann der Schädiger zu Schadenersatz verurteilt werden und auch eine strafrechtliche Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung ist denkbar.
Parkt also ein Förster z.B. in einer unübersichtlichen Kurve und kollidiert deswegen ein anderes Fahrzeug mit seinem Fahrzeug, hat er durchaus mit den genannten Folgen zu rechnen.
Welche Regeln der StVO sind nun im Wald problematisch?
Forststraßen sind laut ForstG vor allem Bringungsanlagen, sie dienen der Beförderung von Holz und sonstigen Forstprodukten sowie Personen aus dem Wald bis zu einer öffentlichen Verkehrsanlage sowie der Zwischenlagerung. Sie sind demnach auch Arbeits- und Lagerfläche. Forststraßen sind außerdem meist schmal und oft steil, die Oberflächen meist geschottert.
Problematisch ist eine Bestimmung der StVO auf Forststraßen demnach dann, wenn durch sie die für die Waldbewirtschaftung notwendigen Arbeiten auf Forststraßen behindert oder gar verhindert werden oder wenn Forstarbeiten erschwert werden, aber die StVO aufgrund der Beschaffenheit der Forststraßen kaum sinnvoll anwendbar ist.
Hier stelle ich eine Auswahl einiger der auf Forststraßen geltenden, aber problematischen Regeln der StVO vor:
Nach § 10 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges einem entgegenkommenden Fahrzeug rechtzeitig und ausreichend nach rechts auszuweichen. Zum Ausweichen darf das Bankett aber keinesfalls befahren werden.
Gemäß § 15 Abs 4 StVO ist beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom überholten Fahrzeug einzuhalten. Kann der geforderte Seitenabstand nicht eingehalten werden, darf nicht überholt werden, also z.B. auch nicht ein sehr langsam bergauf fahrender Mountainbiker.
Der Lenker eines Fahrzeuges darf gemäß § 16 Abs 1 lit b StVO nicht überholen, wenn der Unterschied der Geschwindigkeiten des überholenden und des eingeholten Fahrzeuges für einen kurzen Überholvorgang zu gering ist.
Gemäß § 23 Abs 1 StVO haben Lenker das Fahrzeug zum Halten und Parken so aufzustellen, dass kein Lenker eines anderen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder am Wegfahren gehindert wird.
Gemäß § 24 Abs 1 lit b StVO ist das Halten und Parken auf engen Stellen der Fahrbahn, im Bereich von Fahrbahnkuppen oder von unübersichtlichen Kurven und gemäß § 24 Abs 3 lit d StVO das Parken auf Fahrbahnen mit Gegenverkehr verboten, wenn nicht mindestens zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr freibleiben. „Parken“ liegt schon beim Stehenlassen eines Fahrzeuges länger als 10 Minuten vor.
Nach § 23 Abs 6 StVO dürfen unbespannte Fuhrwerke, Anhänger ohne Zugfahrzeug sowie Transportbehälter zur Güterbeförderung – mit gewissen Ausnahmen – nur während des Beladens oder Entladens auf der Fahrbahn stehengelassen werden.
§ 42 StVO normiert eine Reihe von Fahrverboten für gewisse Lastkraftfahrzeuge an Wochenenden, Feiertagen, nachts und ab einem gewissen Gesamtgewicht (3,5 bzw. 7,5 t), dies ist in Anbetracht allenfalls notwendiger Aufarbeitung von Holz aus Kalamitäten besonders problematisch.
Nach § 60 Abs 3 StVO muss ein stillstehendes Fahrzeug auf der Fahrbahn während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert, beleuchtet werden, wenn die sonstige Beleuchtung nicht ausreicht, um es aus einer Entfernung von ungefähr 50 Metern zu erkennen.
Nach § 62 StVO darf eine Ladetätigkeit auf Straßen die Sicherheit des Verkehrs nicht und die Leichtigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigen. Beim Be- oder Entladen ist nach Möglichkeit jeder Lärm zu vermeiden. Die Ladetätigkeit muss unverzüglich begonnen und durchgeführt werden. Für eine Ladetätigkeit auf Straßenstellen, wo das Halten verboten ist, ist eine Bewilligung erforderlich.
Nach § 82 StVO ist für die Benützung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken eine Bewilligung nach der StVO erforderlich. Verkehrsfremd sind auch forstwirtschaftliche Tätigkeiten!
§ 92 Abs 1 StVO verbietet jede gröbliche oder die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung der Straße. Strafbarkeit tritt nicht erst dann ein, wenn die Entfernung der Abfälle unterlassen wird, sondern bereits dann, wenn die Straße verunreinigt wird, dies betrifft z.B. auch Pflanzenabfälle bei Forstarbeiten.
Kann man die StVO auf Forststraßen ausschließen?
Die Anwendbarkeit der gesamten StVO auf Forststraßen entfällt nur dann, wenn kein öffentlicher Verkehr auf ihr stattfindet und eine von der StVO abweichende Regelung erlassen wurde. Der öffentliche Verkehr auf einer Forststraße ist nur dann ausgeschlossen, wenn sie gegen allgemeines Befahren und gegen allgemeines Begehen gesperrt ist und diese Sperren im gesetzlich vorgesehenen Umfang kundgemacht wurden, also z.B. für Erntearbeiten.
Ist eine Forststraße nun wirksam gegen den allgemeinen Fußgänger- und Fahrzeugverkehr gesperrt, dann (und nur dann) kann der Waldeigentümer von der StVO abweichende Bestimmungen erlassen. Will er die Geltung der StVO ausschließen, muss er dies sogar! Dies ist möglichst deutlich und unmissverständlich kundzumachen, etwa durch Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, sonstige Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder durch die Ausfolgung von schriftlichen Hinweisen.
Sollte die Sperre nicht wirksam sein, dann hilft auch eine gesetzmäßige Kundmachung der abweichenden Bestimmungen nichts. Die Erlassung abweichender Regelungen kann einzelne Bestimmungen der StVO betreffen oder sogar bis zu ihrem gänzlichen Ausschluss reichen.
Schluss
Einige Bestimmungen der StVO widersprechen den Zielsetzungen des ForstG ganz deutlich. Deren Anwendbarkeit kann man vielleicht mit – hier nicht dargestellten – juristischen Überlegungen zu Fall bringen. Es bleibt aber das Manko der fehlenden Rechtssicherheit. Damit ist der Gesetzgeber aufgerufen, die hier als problematisch angesehenen und dem ForstG widersprechenden Bestimmungen der StVO von ihrer Anwendbarkeit auf Forststraßen entweder ganz auszunehmen oder zumindest auf ihren tatsächlich nötigen Anwendungsumfang zu reduzieren.
Fakten & Details
- Die Bioökonomie ist ein Wirtschaftssystem
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